Samstag, 15. September 2012

Kopenhagen und Kalligraphie

Ein Gefallen für einen Freund

Ich habe noch nichts davon erzählt bisher, weil ich noch nicht dazu kam. Aber in der Woche vor meinem Geburtstag war ich in Kopenhagen, bei einem Kalligraphie-Workshop. Den hat ein Freund von mir aus Japan organisiert, der wiederum Bekannte in Kopenhagen hat. Er hat den Kontakt zu einem Kalligraphie-Lehrer hergestellt und es war geplant, dass er mit dem Lehrer zusammen nach Kopenhagen fliegt und dort dolmetscht. Leider konnte er dann aber nicht fliegen, weil er krank wurde, und so musste ich ran.

Neben den Workshops blieb noch ein wenig Zeit zum Sightseeing, leider nur sehr wenig, aber Max und Tina haben sich sehr viel Mühe gegeben, dass ich auch noch was anderes sehe als Tusche und Pinsel. Hier habe ich ein Schauspiel aufgenommen, dass sicherlich alltäglich ist, das man aber nicht so oft sieht: Die wilde Horde, die der armen kleinen Meerjungfrau täglich auf die Pelle rückt.

Diese junge Dame, die sehnsüchtig zum Land hin blickt, kennt ja jeder. Entgegen anderslautenden Gerüchten ist diese Statue das Original, wenn auch der Kopf leider nicht mehr original ist. Soweit ich weiss, ist das schon der zweite Ersatzkopf, anscheinend sind Meerjungfrauenköpfe begehrte Sammlerstücke. Angeblich soll sich einer der bisher gestohlenen Köpfe in der Hand eines Künstlers befinden... mysteriös, nicht wahr? Sie scheints in jedem Fall nicht zu stören, was sich die Menschen für Merkwürdigkeiten ausdenken. Sie träumt lieber davon, Beine zu haben und mit den Menschen zusammen an Land leben zu können...

Die Meerjungfrau ist ja eine der Hauptattraktionen von Kopenhagen... allerdings gibt es einen Satz, den die meisten Menschen, die zum ersten Mal dorthinkommen, sagen: "Die ist ja viel kleiner als ich gedacht hätte!". Ich war eher überrascht, dass der Felsen so nah am Ufer steht. Ich hätte gedacht dass sie etwas weiter draussen im Meer steht, auch, damit man ihr eben nicht so einfach den Kopf absägen kann... naja, wäre vielleicht eine Idee für die Zukunft, wenn sie den Kopf zum dritten Mal verliert.

Und die kleine Meerjungfrau muss wirklich langmütig sein, denn was man auf den Postkarten und Mitbringsel-Bildern nicht sehen kann, ist die wilde Meute an Touristen, die den kleinen Felsen täglich belagert.. Ich persönlich finde ja auch interessante Bilder witzig. Also wenn man eine schicke Pose macht mit einer Sehenswürdigkeit im Hintergrund oder so etwas. Andererseits, manche der Touris klettern der armen Meerjungfrau beinahe auf den Schoß... anscheinend haben vor allem chinesische und russische Touristen solche Ambitionen. Kann ja nicht so viel passieren, ist alles stabil gemacht. Aber dennoch, man kennt sich doch nicht wirklich, da sollte man doch ein wenig Höflichkeitsdistanz einhalten, oder nicht?

Das war an Langelinie, direkt an der Küste. Wenn man da am Strand steht, kann man nach Schweden schauen. Was heute sehr pittoresk und touristisch sehr interessant ist, war früher allerdings nicht so ganz unproblematisch. Schweden und Dänemark haben, wenn man die schiere Anzahl der Denkmäler, Siegessäulen und sonstigen Monumente betrachtet, mehr als nur eine Meinungsverschiedenheit mit Kanonendonner ausdiskutiert.

Max und Tina, ein Pärchen aus Kopenhagen, haben das alles organisiert. Yukimura-san, der Lehrer, seine Assistentin Sayaka und ich waren also eine Woche bei den beiden untergebracht. Den ganzen Tag habe ich also übersetzt, von Japanisch ins Englische und dann bei den TeilnehmerInnen teilweise auch ins Deutsche, weil tatsächlich einige Schweizer, Deutsche und Österreicher mit dabei waren.

So, das ist jetzt Yukimura-sensei bei der Arbeit. Er hat an dem Morgen, noch bevor der eigentliche Workshop anfing, ein paar Probezeichnungen gemacht und einige Zeichen in verschiedenen Varianten ausprobiert. Dabei wird erst eine Probezeichnung angefertigt (auf dem grossen Papier rechts im Bild) und das Ergebnis dann, natürlich Freihand, auf eine rechteckige, manchmal quadratische Papp-Platte geschrieben. Dabei ist es nicht entscheidend, so "sauber" wie möglich zu schreiben, so dass es "wie gedruckt" aussieht, sondern es geht eher darum, ein bestimmtes Gefühl und einen eigenen Stil zu vermitteln. Das führt dann oft dazu, dass die Zeichen nicht mehr wirklich gelesen werden können, wenn man nicht weiß, was da stehen soll... sieht aber wirklich Klasse aus, wenn man sich einmal an die Ästhetik gewöhnt hat.

Hier ist er fertig mit einem japanischen Namen, den er geschrieben hat. Am Ende wird immer das Siegel des Schreibers mit einer dicken roten... ja, Tinte möchte ich das eigentlich nicht nennen, es ist eher eine zähe Paste. Nicht Wachs und nicht Tinte. Zu dumm, ich habe garnicht gefragt, was das eigentlich ist. Egal, also der Namensstempel wird immer aufgedrückt, und zwar nicht verschämt und möglichst klein irgendwo in der Ecke oder gar auf der Rückseite, wie das in westlicher Malerei ja der Fall ist, sondern immer als Teil der Gesamtkomposition. Yukimura hat uns allen viel erzählt und meistens waren die Gespräche schon beim Frühstück so anstrengend und die Themen so komplex, dass ich mich vor Beginn des eigentlichen Workshops nochmal kurz hinlegen musste, um den Kopf wieder klarzukriegen... Irgendjemand hat Yukimura-sensei ein ganzes Universum an Wissen in den Kopf gepackt. Wirklich beeindruckend!

Das ist das fertige Resultat. Es steht darauf "Yukinaga Max", das ist der neue Name, den Yukimura Max gegeben hat, weil der sich so gut entwickelt hat mit seiner Kalligraphie. Tja, so ist das in Japan... wenn man sich gut macht, bekommt man von seinem Lehrer einen eigenen Namen verpasst, unter dem man dann selsbt aktiv wird. Der Name drückt einerseits die Verbundenheit mit einer bestimmten Schule aus, andererseits enthält er aber auch Komponenten des jeweiligen Menschen, so dass die Tradition einerseits und die weitere Entwicklung der Schule andererseits gleichzeitig dokumentiert wird.

Tja, das war also meine Woche in Kopenhagen in fünf Bildern... eine spannende Zeit, in der ich viele neue Freunde gewonnen habe. Die Leute kamen aus aller Herren Länder, ich denke, ich werde demnächst mal einen kleinen Trip nach Buenos Aires in Argentinien machen müssen... von dort kam die Teilnehmerin mit der weitesten Anreies. 17 Stunden Flug für einen Tag mit dem Meister. Das ist wirkliche Hingabe.

Also, wir sehen und Anfangs Oktober! Bis dahin, bleibt mir gewogen und passt auf euch auf! Ich gehe jetzt einen Kaffee trinken mit Bill und die letzten Sonnenstrahlen des Jahres genießen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen