Wenn einer eine Reise tut...
Meine gute Freundin S. würde mir eine schallende Ohrfeige verpassen für diese Übeschrift, denn billiger und klischeehafter kann man wohl einen Eintrag über eine Reise nach Italien nicht einleiten. Hoffentlich verzeiht sie mir, ich versuche auch, es mit den folgenden Kapiteln wieder auszugleichen.
Kurz zum Hintergrund: Meine Freundin Tessi und ich sind Anfang Januar ein paar Tage nach Kalabrien gefahren, wo ihre Eltern wohnen. Tessi war schon länger nicht mehr da und weil es außerdem noch einen familiären Anlass gab (dazu später mehr) bin ich mit ihr gefahren und habe bei dieser Gelegenheit auch gleich ihren Vater und einen ziemlich großen Teil ihrer restlichen Familie kennengelernt. Hochoffiziell, gewissermaßen, und ich muss zugeben, ein wenig nervös war ich dann doch, vor allem, weil ich ja kein italienisch spreche...
Kalabrien
Kalabrien ist an der Südspitze Italiens. Genaugenommen ist Kalabrien die Südspitze Italiens, die Stiefelspitze, sozusagen. Das einzige, was dann noch kommt, sind Sizilien, Malta und das Meer. Das Land ist rauh, zerklüftet, trocken und strahlt eine eigentümliche Wildheit aus. Die Palmen und Kakteen verstärken diesen Eindruck eher noch und zeugen von der Nähe Afrikas. Oliven-, Zitronen- und Orangenplantagen säumen die Küstenstrasse, und im Januar bedeckt teilweise ein weicher, grüner Teppich den Boden unter den Bäumen. Auch einige der Hügel sind noch mit dichtem, niedrigem Pflanzen bewachsen, aber es ist klar, dass im Sommer die Sonne alles zu einem gleichförmigen gelbbraun verdorren lassen wird.
Die Berge kommen aus dem Landesinneren und gehen direkt und ein einem spitzen Winkel in das Meer über. In der Ferne hängt ein graublauer Schleier, der teilweise durch den Staub des Bodens, teilweise durch den Rauch der vielen (zumeist kontrollierten) Feuer auf den Feldern verdichtet wird. Ihre Gipfel verschwinden in den Wolken und die Dörfer in den Hängen sind aus der Ferne nichts als weiße Flecken mit kantigen Strukturen. Die Farben kommen mit der Sonne, vor allem der Abendsonne, und mit den Blüten im Frühjahr. Vielleicht sehe ich das auch noch eines Tages...
Was ich aber gesehen habe, war der Strand. Der ist toll, vor allem, weil natürlich um diese Jahreszeit nichts los ist. Ja, es war natürlich kalt und baden war nicht drin, aber barfuss durchs Wasser laufen und dabei die Sonne durch den Pullover fühlen, das war echt toll. Wir hatten ablandigen Wind, eigentlich hätte es also ungemütlich und kalt sein müssen, aber ganz im Gegenteil: Am Strand selbst war es nahezu windstill und Tessi und ich haben bei einem Spaziergang mit ihrem Vater Muscheln gesammelt und den Schiffen, die draussen in der Bucht ankern, beim treiben zugesehen...
Am Strand findet sich natürlich viel Treibgut: Bambus, Palmenreste, Tang, Muscheln und eine Menge Plastikmüll. Merkwürdige Dinge und Objekte finden sich permanent am Strand. Die merkwürdigen, glatten Formen und ausgebleichten Farben der Dinge machen sie seltsam unwirklich. Ein Strand ist ein bisschen wie eine Wüste: EIn extremer Lebensraum. Die Wellen schleifen Muschelschalen und Steinchen in endlosen Bewegungen immer weiter ab, immer feiner, bis nur noch Sand übrig ist. Das Meer war schon lange da, es könnte ewig sein für menschliche Zeitbegriffe. Vielleicht sitze ich deshalb so gerne und lange einfach dort und höre dem Rauschen der Wellen und den schleifenden Geräuschen in den sterbenden Wellen zu, idyllisch und dem Tod so nah.
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